Ruhland | Erstfassung 2.10.2018
"Für so an Erfindung brauchst heut' an Computer und an Ingenieur" meinte ein 8-Jähriger, fasziniert von dieser mit so viel Hausverstand und einfachsten Mitteln gewonnenen Standfestigkeit der Mehlsäcke...
Die Säcke wurden dann gestempelt, die dabei verwendeten Sackdruckereien enthielten neben den Buchstaben und Nummern auch Verzierungsstöckerl mit (oft christlichen) Ornamenten. Zum Drucken wurde der Model mit einem Gemenge aus Russ- und Leinöl, aber auch mit Lampenruss und Kollophonium (Saupech) eingefärbt. Gedruckt wurde auf jedem Sack der Name (manchmal auch nur der Hausname) und die Ortschaft sowie die Jahrzahl und je nach Anzahl der Säcke die entsprechende Nummer. Sie unterschied letztlich jeden Sack von den anderen.
Um 1850 wurden die Bauern frei - erst dann konnten sie ihr eigenes Getreide zum Müller hin- und das Mehl heimbringen. Darum stammen die ältesten Jahrzahlen auf den Säcken auf die frühen 1850er-Jahre...
"Du muasst scho entschuldig'n, aba bei uns san a' fremde Säck dazuakemma, da ham's früher nöt recht aufpasst" meinte eine Bäurin. Doch die "fremde" Namen auf den Säcken waren die Namen von Frauen, welche diese Säcke als Aussteuer mit auf den Hof brachten: Normalerweise brachte eine Bauersbraut 12 bedruckte Säcke mit, die Mitgift sehr reicher Bräute beinhaltete bis zu 3 Dutzend davon. Und: Je reicher und kunstvoller die Säcke gestaltet waren, desto reicher war auch der Bauer.
Und weil die Säcke im Laufe der Jahre auch erneuert werden mussten, sammelten sich in manchen Höfen zu den Säcken unterschiedlichen Ursprungs auch solche mit anderem Aussehen an.
Jeder Bauer wollte vom Müller das von seinem angelieferten Getreide gemahlene Brot- und Weißmehl heimbringen – und zwar den gesamten Mahlertrag. Doch die Müllerszunft hatte keinen besonders guten Ruf...
Daher blieb man beim Mahlen oft dabei, um ja das zu Mehl vermahlende Getreide im eigenen Sack zu erhalten.
Der Müller, der Lümmel,
kummt
a net in Himmel
und
in Sack nahm er a,
wann
da Nam nöt drauf wa'.
Die Zeiten haben sich geändert: Kaum noch ein Bauer lässt sein Getreide beim Müller vermahlen. Die einst zum Hof gehörenden Backöfen wurden fast alle
„aufgegeben“, denn das große Gesinde aus Mägden und Knechten und auch die große Kinderzahl aufden Bauerhöfen ist ebenfalls Vergangenheit.
Die alten Getreidesäcke sind für manche nutzlos geworden, obwohl sie auch ganz lebendige Zeugen einer Tradition sind, die weder Wegwerfprodukte noch Wegwerfsackerl kannte.
Zum Glück gibt es Menschen, die alte Säcke noch als Belege einer bäuerlichen Familientradition und Zeugen längst vergangener Zeiten wertschätzen: Die bedruckten Säcke erinnern an die Zeit, als Bauersleute das „tägliche Brot“ auf ihrem Hof erarbeiteten.
QUELLE: Sammlung Brigitte Ruhland, Fotoarchiv Josef Ruhland