Ruhland | Erstfassung 17.5.2024
Schon Hippokrates (geboren 460 v. Chr. auf Kos) beschrieb die Heilkunst als "Hinzufügen und Weglassen, als Wegnahme des Überschüssigen und Hinzufügung des Fehlenden" .
Die Kirche sah das Wenden manchmal als Teufelswerk, manchmal als Aberglauben - und manchmal auch als Gnade Gottes, wenn etwa das Wenden mit Gebeten verbunden war. Das war in unserer Region meist der Fall.
Maria Hofbauer galt als Wenderin!
Das Wenden als ein Mittel gegen Beschwerden und Krankheiten wird im Heimatbuch Kopfing (1976, S. 113 f.) dargestellt.
Bericht einer Zeitzeugin:
Heilung eines 3-4jährigen Kindes von einem Bruch
Die Wenderin vollführt mit einem Ei, das zwischen Gründonnerstag (Andlass Pfinsta) und Karsamstag gelegt worden ist, kreisförmige Bewegungen über dem Kind und murmelt einen Spruch. Dann legt sie das Ei in den Rauchfang oder die Selchkammer und betet, bis das Ei ausgetrocknet ist. War es so weit, dann sollte auch der Bruch weg sein ....
Ein "Andlass-Oa" wwurde am Ostersonntag mit anderen Speisen in der Kirche geweiht. Es hieß: "Zu Ostern bekommen die Leut´, zu Weihnachten bekommt das Vieh Geweihtes zu essen!"
Ein Andlas-Oa war eines, das von Gründonnerstag bis Karsamstag gelegt worden war. An diesen Tagen gelegte Eier wurden dann gern am
Ostersonntag mit den Speisen geweiht. Die Familien von Bauern, Häuslern oder Handwerkern brachten durchwegs Speisen zur Weihe in die Kirche.
Es hieß: "Zu Ostern bekommen die Leut, zu Weihnachten bekommt das Vieh Geweihtes zu essen."
Im ausgehenden 19. Jh. war der kommende Jahreswechsel mitsamt den Raunächten eine Zeit, in welcher der Glaube an Hexerei und Zauberei im Vordergrund stand.
So wird auch aus dem damaligen Gerichtsbezirk Vichtenstein berichtet, dass am Vorabend des Thomas-Tages, des Weihnachtstages, des Neujahrstages und vor dem Hl. Drei König-Tag die im Haus befindlichen Kühe und Pferde vor dem Gebetläuten gefüttert werden, bevor die Stallungen ausgeräuchert werden. Dabei wird "mit dem Weihwasser wahrlich Unfug getrieben", wird angemerkt.
QUELLE: Franking, Ludwig v. W.: Topographisch – statistische Bemerkungen über den Bezirk Vichtenstein, Linz 1897
Typisch waren kreisförmige Bewegungen, dafür wurden auch Haarballen aus Rindermägen verwendet.
Die beim Wenden verwendeten Sprüche weisen im verwendeten naiven Sprachgebrauch und in der Verwendung der heiligen Zahl "Drei" auf das einfache Volk als "Zielgruppe" - als Beispiel sei ein Wendespruch bei Blutungen bei Frauen angeführt:
Es stehen drei Rosen unter einem Baum.
Die erste ist mild. Die zweite ist gut.
Die dritte stiehlt dir dein Blut.
Beispiele dafür, wie man beim Wenden verschiedenen Krankheiten zu Leibe rückte, finden sich in alten "Gichtbriefen".
Gegen die Abzehrung
Jesus ging auf einen Berg, viel Volk tut ihm nachfolgen.
Als König sprach Jesus von Nazareth, der Sohn Davids:
Erbarm dich deines Sohnes, sein Blut tut ihn abzehren.
Komm in mein Haus, lege deine Hand, so wird sein Leib gesund bleiben.
Blutstillung für Frauen
Da stocken drei Wahrheiten:
Die erste ist Gottes Macht, die zweite ist Gottes Kraft, die dritte ist Gottes Will:
Blut, steht still! ...
Gegen Würmer
Das erste ist weiß, das zweite ist schwarz, das dritte ist rot.
Diese drei Würmlein machen dir alle deine 72 Würmlein tot.
Gegen Gicht und Schwindsucht
Mark und Bein schwindet nicht, Fleisch und Blut schwindet nicht, Haut und Haar schwindet nicht.
Wie das allerheiligste Blut Jesu Christi auch nicht geschwunden ist.
Der Ablauf war oft so, dass am Anfang langatmige Einleitungsgebete in der Art von Fürbitten gesprochen wurden. Dann kam meist der Wendespruch, gefolgt von Gebeten. Das Ganze konnte sich über mehrere Tage hinziehen.
Im Mittelalter waren unterschiedliche Heilweisen nebeneinander gebräuchlich: Der “Wender” versuchte auf geistiger Ebene eine Krankheit “abzuwenden”, d. h. das Umkehren der Krankheit in die Gesundheit, und zwar bei Menschen als auch bei Tieren.
Beim Wenden spielte der Mondzyklus (abnehmender und zunehmender Mond) eine große Rolle.
Eine Form des Wendens war das "Gebetsheilen", bei dem der Wender spezielle Heilsprüche einsetzte. Diese waren oft keine traditionellen Gebete, wie das „Vater Unser“ oder „Gegrüßet seist du Maria“, - in den Gebeten wurden Gott oder die Heilige Jungfrau Maria um das Eintreten der Genesung gebeten.
Eine weitere Art des Wendens war das “Besprechen”, wo der Wender mit dem Kranken im selben Raum saß, nach einer gewissen Zeit den Raum verließ und dabei die Krankheit mit sich nahm. Dann löste er die Krankheit mithilfe eines speziellen Spruchs auf.
Das “Blutstillen” war eine andere Tradition des Wendens, bei dem der Heiler nur seine geistigen Kräfte einsetzte, um eine blutende Wunde zu stillen, so dass der Blutfluss nachließ und aufhörte.
QUELLEN: Josef Ruhland, Heimatbuch Kopfing (1976, S. 113 f.; Johann und Wolfgang Danninger (mündliche Hinweise);