Josef Ruhland |12/2023 UPDATE: 22.1.2024

Quelle Sterbebilder: Sammlungen Johann Hauser und Johann Schöfberger.


Sterbebilder - letzte Visitenkarten

Kopfinger Sterbebilder von 1880 bis 1950 zeigen den kulturellen und religiösen Umgang mit dem Tod. Es ging um das Seelenheil der Verstorbenen und die Erinnerung an dessen Lebensdaten.


Das älteste Sterbebild der Sammlung Johann Hauser erinnert an die Kopfinger Auszüglerin Theresia Grünberger, verstorben im 62. Lj.
Das älteste Sterbebild der Sammlung Johann Hauser erinnert an die Kopfinger Auszüglerin Theresia Grünberger, verstorben im 62. Lj.

Die ältesten Sterbebilder wurden schon im 17. Jh. in während der Gegenreformation in den Niederlanden als "Totenzettel" gedruckt. Die "Evangelischen" kannten keine Sterbebilder....

Bei uns in Kopfing hätte vor 1870 kaum jemand die auf den Sterbebildern aufgedruckten Lebensdaten lesen können. Die Sterbebilder in unserer Region entwickelten sich parallel zu den schon verbreiteten Andenkenbildchen, die oft anlässlich von Erstkommunion und Wallfahrten ausgegeben wurden.

 

Die Rückseiten der Sterbebilder zierten oft Heilige, dazu biblische Sinnsprüche und Kurz- oder Ablassgebete, die den Verstorbenen die Zeit im Fegefeuer verkürzen sollten.

Im Druck wurden die Bilder bis 1900 als Stahlstich oder Lithografie umgesetzt.

 

V.l.n.r. oben:
Andachtsbild "Jesus gibt zur Himmelsreise sein eigen Fleisch und Blut zur Speise" (Franziska Osterkorn, Bäuerin in Raffelsdorf, +16.7.1891 im 49. Lj.).

Passionsbild "Jesus gab für dich sein Leben hin, darum ist Sterben ein Gewinn" (Mathias Zauner, led. Bauerssohn vom Bauhansengut in Engertsberg, +11.10.1890 im 31.Lj.)

Schutzengelbild "Das Kreuz ist meine Zukunft und die Kraft, die mir Seligkeit verschafft" (Mathias Wietzeneder, Inwohner in Königsedt, +17.1.1891 im 78. Lj.)

Die beiden Schutzengelbilder zeigen die zwei unterschiedlichen Rückseiten derselben Vorderseite (Kaufmannstochter Hildegard Grüneis, Kopfingerdorf, +20.11.1938 im 8. Lj.).

 

Die Sterbebilder waren vor Ort zu haben (auf der Post, beim Mesner und Krämer sowie schließlich beim Pfarramt. Lokale Druckereien erwarben die schönen Rückseiten von großen Verlagen und bedruckten diese nach den Angaben des örtlichen Verlegers mit (manchmal auch fehlerhaften) Lebensdaten und nutzten auch vorhandene Restbestände: So erhielt das Sterbebild einer Person oft einige verschiedene Rückseiten.

 

Kurios: Diese "Arbeitsteilung" dürfte wohl auch für schwerwiegende Fehlleistungen verantwortlich gewesen sein.

Beispiel: Sterbebild des ledigen Bauernsohnes Ludwig Maier aus Götzendorf - ohne Vermerk von Todestag noch Sterbejahr ...

 

 

Die Sterbematriken bringen Klarheit:

 

Ludwig Maier verstarb in Kopfing Nr. 13 (Götzendorf) am 23.11.1890 um 10 Uhr nachts im Alter von 26 Jahren an Lungen­sucht.

Begraben wurde er am 26.111.1890 auf dem Pfarrfried­hof Kopfing.

 


Anton Schmidtbauer, Sterbebild des ersten Bäckers am Gänsbach (1821-1882) +28.9.1882 im 62. Lj.
Anton Schmidtbauer, Sterbebild des ersten Bäckers am Gänsbach (1821-1882) +28.9.1882 im 62. Lj.

Die Rückseiten waren religiös geprägt und wünschten den Verstorbenen die ewige Ruhe und oft auch einen Ablass auf die zu erwartende Zeit im Fegefeuer.

 

Die Vorderseite hielt die Erinnerung an das Leben des Toten fest:

Herkunft: Haus-, Hof- und Flurnamen.

soziale Stellung: Besitz, Stand und Beruf. verheiratet oder ledig, Auszügler, Inwohner ...

Empfang der hl. Sterbesakramente war ein "Pflichtvermerk".

- Mitgliedschaft in einem dritten Orden

 

Oft wurde ein Nachruf auf den Verstorbenen in Form eines Gedichtes angefügt - eigentlich eine Art Testament mit Wünschen an die Kinder und der Bitte, an ihn  und das himmlische Reich zu denken: "Lebt nur fromm und betet recht gern ..."


Die Gefallenenbilder des 1. Weltkrieges brachten das Foto auf die Sterbebilder: Das Porträt wurde zu einer letzten lieben Erinnerung, denn der Gefallene lag meist weit entfernt von der Heimat in einem oft unbekannten Soldatengrab.

Weil die Sterbebilder mit dem Foto mehr Platz brauchten, tauchten erstmals auch gefaltete Sterbebilder auf.

Zwei Gefallenenbilder aus dem 1. Weltkrieg - oben v.l.n.r. : 
Einfaches Sterbebild mit Foto in Uniform: Josef Ertl, Bauerssohn aus Kimleinsdorf +9.9.1914 in Galizien/Russland), Rückseite: Schutzengel steht dem sterbenden Soldaten bei).

Gefaltetes Sterbebild mit Foto in Uniform: Paul Straßl, Bauerssohn aus Kimleinsdorf +31.1.1916 in Russisch Polen),

Rückseite mit "Ecce Homo" Motiv und Jesus beim sterbenden Soldaten).

 

Besonderheit im 1. Weltkrieg: Im Gegensatz zu WK 2 wird durchwegs die Regimentszugehörigkeit angegeben - der militärische Rang fehlt jedoch. Oft ist auch die Todesursache angefügt - und fast immer wird ein religiöser Bezug hergestellt: Die Gefallenen werden direkt vom Schlachtfeld in den Himmel geholt ...


Das Gefallenbild im 2. Weltkrieg zeigt den Soldaten: Der militärische Rang und Auszeichnungen werden wichtig, religiöse Bezüge fallen bis auf die ("fromme") Erinnerung" weg...

Die Tragik des Todes auf dem Schlachtfeld zeigt sich, wenn Brüder zeitnah fallen und für die Angehörigen die Erinnerung ein "doppeltes Gefallenenbild" wachhält.

(Matthias Koller aus Kopfing +12.12.1942 und Johann Koller aus Kopfing +6.5.1943).

In der Aufbahrungshalle Kopfing findet sich an der Wand ein Gedenkstein, der daran erinnert, dass nach den ersten beiden auch zwei weitere Brüder -  Rudolf (1943) und Eduard Koller (1944) - fielen.

Die Tragik des Krieges zeigt das dreifach gefaltetes Sterbebild der Brüder Baminger aus Königsedt. 

(Johann Baminger +2.7.1941, Josef Baminger + 9.12.1942 und Gottfried Baminger + 23.1.1945).

 

An Johann und Josef Baminger erinnern auch zwei Gefallenenbilder, welche  den "Heldentod" der Brüder (in Uniform) dokumentieren. Beim dreifachen Sterbebild wurde auf Bilder in Uniform verzichtet, aus dem Heldentod wurde ein "Soldatentod" ...


Ein Gefallenenbild, das nur an einem Wort erkennbar ist:

Josef Gahleitner, Bauerssohn vom Bauerngute in Gigering  +4.4.1945 ... am Neckar im 18. Lebensjahre gefallen".

 

Josef Gahleitner war wohl der letzte gefallene Kopfinger Soldat. Er starb nahe Heilbronn nicht einmal fünf Wochen vor dem Ende des 2. Weltkriegs ...


Im Laufe des Krieges wurde das Papier merkbar schlechter und die Mangelwirtschaft spürbarer: Für den Aufdruck der persönlichen Daten benutzte man immer öfter verschiedene Rückseiten lagernder Sterbebilder.

Die Fotos der Verstorbenen auf den Sterbebildern wurde in größeren Gemeinden schon in der Zwischenkriegszeit aufgedruckt - in Kopfing setzte sich dieser Trend erst nach 1960 durch, wie die Sterbebildsammlung von Markus Kranningers Vater Reinhard belegt.